Metamerie und Metamerie-Index

Was Metamerie ist, wie es entsteht und wann und von wem sie entdeckt wurde, war an anderer Stelle schon einmal Thema in diesem Blog. Als kleine Auffrischung:

Was ist Metamerie

Metamerie beschreibt das Phänomen, dass dasselbe Objekt je nach einfallendem Licht unterschiedlich aussehen, d.h. einen unterschiedlichen Farbeindruck hervorrufen kann. Damit ist nicht der Effekt gemeint, dass man im Gegenlicht im Garten eine reife nicht von einer unreifen Frucht unterscheiden kann. Es geht vielmehr um Situationen, in denen alle anderen Variablen identisch bleiben: Der Gegenstand liegt auf derselben Fläche, die beobachtende Person (oder das Gerät) bleibt im selben Betrachtungswinkel, das Licht strahlt aus derselben Ecke, nur die Lichtart wird verändert.

Zwei Dinge spielen hier eine wesentliche Rolle: die Funktionsweise des menschlichen Auges und der Aufbau des sichtbaren Lichts.

Die Netzhaut in den Augen von Menschen (und einer Reihe anderer Tiere) besitzt drei verschiedene Rezeptoren zur Aufnahme jeweils unterschiedlicher Wellenlängen:

Mit diesen Rezeptoren decken wir in der Regel einen Wellenlängenbereich von ca. 400 nm (tiefblau) bis ca. 780 nm (tiefrot) ab. Die elektromagnetische Strahlung geht in beide Richtungen noch viel weiter, aber diesen Bereich können wir mit unseren Augen wahrnehmen und nennen ihn Licht. Ansonsten unterscheidet sich dieser Bereich nicht von anderer elektromagnetischer Strahlung wie UV-Strahlung, Infrarotstrahlung oder einem WLAN-Signal.

Wir haben nur drei Rezeptor-Typen, können jedoch weitaus mehr als drei Farben unterscheiden. Das liegt daran, dass die Signale dieser drei Rezeptoren noch komplex miteinander verschaltet sind, um möglichst differenzierte Aussagen über die sichtbare Umwelt treffen zu können. Für die Farbe gelb etwa besitzen wir überhaupt keine Rezeptoren, können sie aber dennoch eindeutig sehen: Der Farbeindruck "gelb" tritt immer dann auf, wenn die grünen und roten Rezeptoren in etwa gleich stark angeregt werden.

Außerdem haben die einzelnen Rezeptoren zwar Sensitivitätsspitzen in recht schmalen Wellenlängenbereichen, haben aber insgesamt ein recht breites Spektrum, auf das sie ansprechen. Dadurch sind wir in der Lage, z.B. royalblau von pastellblau zu unterscheiden.

Licht ist nicht gleich Licht

Trotz aller Verschaltungsfinessen sind es am Ende aber eben doch nur 3 Rezeptor-Typen, und diese gehen aus evolutionären Gründen von einem ganz bestimmten Licht aus: dem der Sonne. Nicht ganz zufällig entspricht der Bereich des sichtbaren Lichts nämlich ziemlich exakt dem Bereich der Sonnenstrahlung, deren Intensität auf der Erdoberfläche am höchsten ist.

Man kann jedoch ganz gezielt Lichtquellen so entwerfen, dass trotz völlig unterschiedlichem spektralen Aufbau des Lichts der resultierende Eindruck für das menschliche Auge praktisch identisch ist. Die folgende Illustration etwa zeigt den spektralen Aufbau von Sonnenlicht im Vergleich zu dem einer handelsüblichen Neonröhre:

Rezeptoren + unterschiedliche Lichtarten = Metamerie

Der Farbeindruck, den ein Gegenstand bei uns hervorruft, entsteht als Nebeneffekt aus dem Aufbau unseres Sehsinns und den unterschiedlichen Lichtarten. Auf unsere Netzhaut gelangen Lichtstrahlen, die zuvor von der Lichtquelle auf den Gegenstand strahlten, an ihm reflektierten und danach unser Auge trafen. Wenn sämtliches Licht reflektiert wird, dann würde sich für uns der Farbeindruck von reinem Weiß ergeben. In den meisten Fällen wird die Oberfläche des Gegenstands jedoch einen Teil der einfallenden Strahlung absorbieren - dieser Teil fehlt dann in dem Licht, das unser Auge erreicht.

Dies ist der Moment, an dem die unterschiedlichen Lichtarten relevant werden: Der Gegenstand kann nur reflektieren und absorbieren, was an Licht überhaupt auf ihn trifft. Im oben illustrierten Spektrum der Neonröhre z.B. sind bestimmte Lichtanteile ja gar nicht oder nur in viel geringerem Maße vorhanden als im Sonnenlicht. Insbesondere im Zusammenspiel mit den verschalteten Rezeptor-Signalen kann es so zu einem veränderten Farbeindruck kommen - dem Metamerie-Effekt.

Farbunterschiede messen im L*A*B*-Farbraum

Metamerie ist in vielen Fällen unerwünscht. Sehr viele Alltagsgegenstände bestehen aus verschiedenen Komponenten aus unterschiedlicher Quelle, die identische Farbe haben sollen - und zwar nicht nur im Kunstlicht der Fertigungshalle, sondern auch draußen im Sonnenlicht oder im Wohnzimmer im Schein einer warmen LED-Lampe. Für die ordentliche Bewertung muss der subjektive Farbeindruck einer prüfenden Person aber durch objektive Zahlen ersetzt werden, denn das ermöglicht z.B. einem Notebookhersteller, einem Lieferanten von Tastaturen präzise sagen zu können, exakt welcher Farbton genau zum Notebookgehäuse passt.

Für solche industriellen Anforderungen wurde der L*A*B*-Farbraum entworfen. Dieser Farbraum ist aktuell z.B. in EN ISO 11664 normiert (früher auch DIN 6174). Farbangaben in L*A*B* haben im Gegensatz zu z.B. RGB-Farbwerten in Photoshop und Co. den wesentlichen Vorteil, dass sich aus zwei verschiedenen Farbangaben der Farbabstand ablesen lässt. Weisen zwei verschiedene Farbtöne denselben rechnerischen Farbabstand auf, dann würde eine beobachtende Person ebenfalls über in etwa gleich unterschiedliche Farbeindrücke berichten.

Das Maß dieser Farbabstände heißt ΔE (für Empfindung). Es ist ein dimensionsloser Wert (d.h. es gibt keine Einheit wie "cm" oder "kg"), der aus den L-, a- und b-Paaren der beiden Einzelfarben berechnet wird. EN ISO 11664 enthält auch die aktuelle Formel.

Metamerie-Index

DIN 6172:2014-10 definiert den sogenannten Metamerie-Index (genauer: den Metamerie-Index für Lichtartwechsel - es gibt neben der Lichtart-Metamerie noch die Beobachter-Metamerie und die Feldgrößen-Metamerie) und bedient sich nun ΔE, um den Farbabstand unter unterschiedlichen Lichtarten zu definieren.

Die beiden Lichtarten sind dabei ausschlaggebend. DIN 6172 sieht vor, dass hier normalerweise D65 und A genommen werden sollen, wenn es keine anderweitigen Vorgaben gibt (z.B. durch spezielle Standards für eine bestimmte Branche). Auch für die Lichtarten selbst gibt es nämlich Normen - "Tageslicht" kann ja je nach Wetter und Jahreszeit etwas ganz Unterschiedliches bedeuten.

D65 soll idealisiertes Tageslicht darstellen, mit einer Farbtemperatur von 6500K ein kaltes Weiß. Lichtart A ist das historische gelbliche Glühlampenlicht, ein warmes Weiß mit knapp 2900K.

DIN 7172 äußert sich nicht zur Frage, wie groß der Metamerie-Index maximal sein darf. Allgemein wird jedoch ein ΔE von 1,0 als Grenze angesehen, ab der das ungeübte Auge einen unterschiedlichen Farbeindruck von den zwei Farben erhält. Für trainierte Beobachter/-innen wird der Schwellwert als 0,5 gesetzt.

Es gibt jedoch branchenspezifische Normen, die eigene Schwellwerte setzen. DIN 6175 etwa setzt Grenzwerte für Lackierungen von Auto-Teilen und gibt auch für Reparatur-Lackierungen an, dass die Farbabstände auch nicht beim Wechsel von D65 zur Lichtart F11 auftreten dürfen.

Den Metamerie-Index bestimmen

Die L*A*B*-Farbwerte für einzelne Objekte werden im gewerblichen Bereich mit Farbmessgeräten bestimmt. Intern sind diese Geräte praktisch immer Spektrometer. Spektrometer (manchmal auch Spektralphotometer genannt) können das Spektrum des sichtbaren Lichts detailliert aufnehmen, so dass sie nicht nur den Farbeindruck in Summe aufnehmen, sondern über das gesamte Spektrum die Strahlungsintensität je Wellenlänge(nbereich) messen. Das ermöglicht objektive Vergleiche und z.B. auch rein rechnerische Prognosen des Metamerie-Effekts, indem wechselnde Lichtarten in Software simuliert werden.